„Lifelines“ – erstmals Zeichnungen bei „Kunst im Speicher“
„Lebenslinien“ und die Welt der Zeichnungen: Damit beschäftigten sich acht Studierende der Universität Osnabrück, Institut für Kunst/Kunstpädagogik und präsentierten ihre Arbeiten am Freitag, den 19. April 2024, erstmals in den Geschäftsräumen des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e. V. (LVO). Nach Grußworten des ersten Stadtrats und LVO-Vorsitzenden Wolfgang Beckermann führte Kurator Frank Gillich die ca. 50 Gäste der Vernissage eindrucksvoll und anschaulich in das Genre Zeichnung ein.
Eigenständige Werke mit vielfältigen Materialien
Mit Aquarell, Farbstift, Graphit, Tinte und Tusche und sogar mittels Papercut brachten die Studierenden ihre Arbeiten zu Papier. Sie schufen eigenständige Werke, die keinerlei Vorstudien für größere Vorhaben darstellen, sondern die Vielschichtigkeit der Zeichnung als Medium verdeutlichen. Vom Selbstporträt über gegenständliche Darstellungen bis hin zur Grenzüberschreitung des Genres reicht die Bandbreite der ausgestellten Bilder von Joost-Henrik Becker, Roxanne Elora Mettner, Alina Meyer, Luz Bustamante Sanchez, Judith Schäfer, Johanne Schäper, Julia Schilowski und Lisa Schönebeck.
Spiegelbilder
Joost-Henrik Becker hat in seinen großformatigen, in einer Auswahl gezeigten „Spiegelbildern“ persönliche Erinnerungen eingefangen. So zeigen die Ziffern „7:55“ sowie die feine dünne Linie darunter ganz einfach den morgendlichen Schulbeginn Beckers an seiner Grundschule an. „Um 7:55 Uhr schritt ich gewöhnlich über diesen Weg zum Klassenzimmer“, erklärte der junge Künstler. Beim genauen Betrachten des Bildes lassen sich aber viele weitere Elemente entdecken, z. B. eine ambivalent zu deutende Figur unten links im Bild: Ist es ein böser Gnom oder eher ein verzweifelter Mensch?
Das klassische Selbstporträt
Seit zwei Jahren widmet sich Roxanne Elora Mettner dem klassischen Thema des Selbstporträts und fertigte dabei hunderte von Skizzen an. Eines ist all diesen Zeichnungen gemeinsam: Egal, in welchem Zustand sie entstanden, zeigen sie immer ein Stück der Künstlerin, wobei unterschiedliche Strichführung, Farbe und Zeichengestus den jeweiligen Porträtausdruck mitbestimmen.
Vielfach deutbar
In ihrer Arbeit „Das Wassermädchen“ setzt sich Alina Meyer mit der inneren Gefühlswelt auseinander. Sie widmete sich wöchentlich dem gleichen Motiv und fing so immer neue Facetten ihres eigenen Alltags ein, die zugleich den Blick für unterschiedlichste Deutungen öffnen.
Selbstporträts - wieder ganz anders
„Wer bin ich, wie fühle ich mich heute?“ fragt sich auch Luz Bustamante Sanchez oftmals und lässt die Linien in ihren Selbstporträts antworten. Mal sind sie kräftig, mal zart, mal flüchtig, mal bedächtig – aber sie offenbaren trotz des vermeintlich Fragmenthaften immer etwas von der Künstlerin selbst. Interessanterweise sind viele Zeichnungen ohne Mund angefertigt, so dass sie zu einer Art innerem Röntgenbild werden.
Das Experiment
Purer Experimentiergeist spricht aus den beiden Papercuts „No.“ (Part 1 und 2) von Judith Schäfer. Sie hat zwei große Handzeichnungen mittels Lasertechnik in ein filigranes Blattwerk verwandelt und digitalisiert sozusagen ihre analoge Arbeit – der Beginn einer persönlichen Rebellion mit künstlerischen Mitteln.
Vielfach interpretiert
Auf den Tuschezeichnungen von Johanne Schäper scheinen alle Linien miteinander verwoben und verschmolzen zu sein, auch bedingt durch das verwendete Material. Schaut man aus der Nähe auf die Linien, so verschmelzen diese zu einer organischen und opulenten Masse. Interessiert und überrascht lauschte Schäper bei der Vernissage den Interpretationen der Gäste und freute sich über die Kommentare zu ihren Arbeiten.
Linien und Leerstellen
Julia Schilowski arbeitet bei ihren Zeichnungen mit Linien, die dadurch quasi aufgelöst wurden, dass sie als Leerstellen nur die mit Tusche gezeichneten Felder voneinander abgrenzen. Sie erzeugt dadurch vielfach zu interpretierende Räume bzw. Raumfaltungen.
Dialog zwischen Raum und Objekt
Interpretierungsversuche schlagen bei den kleinformatigen Farbstiftzeichnungen von Lisa Schönebeck zunächst fehl – sie erforscht in ihrer Arbeitsreihe exemplarisch an Sitzmöbeln den Dialog zwischen Raum und Objekt und bildet wie in knappen Kürzeln verschiedene Ebenen von z. B. Umrissen, Umräumen oder Zwischenräumen ab. Sie begrüßte die Gelegenheit, ihre Arbeitsweise bei der Vernissage zu erläutern.
Weitere Informationen
Die Mitarbeiter:innen des LVO hatten beim Aufbau der Ausstellung Möglichkeiten zur Mitsprache und sind erfreut, dass jede Arbeit in ihren Büros einen angemessenen Platz gefunden hat.
Die Ausstellung „Kunst im Speicher – Lifelines“ findet in Kooperation mit der Universität Osnabrück, Institut für Kunst/Kunstpädagogik statt. Sie ist bis ca. März 2025 in der Geschäftsstelle des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e. V., Leiser Speicher, Am Speicher 2, 49090 Osnabrück, 2. OG, zu sehen (geöffnet Mo bis Fr jeweils von 9-12 Uhr sowie auf Anfrage unter T 0541 6005850). Der Eintritt ist frei.